Das
Massaker von Sabra und Shatila
TV-Erstaufführung
vom Mittwoch, 14.06.'06, WDR/
Dokumentation
Titel: "Massaker"
Schweiz/Deutschland/Frankreich/Libanon 2004
Vom 16. bis 18. September 1982, zwei Nächte und drei
Tage lang, wüteten die Milizionäre in den Beiruter
Palästinenserlagern Sabra und Shatila. Sie folterten
ihre Opfer, vergewaltigten junge Mädchen, schlitzten
Schwangeren den Bauch auf und verstümmelten Leichen.
Die genaue Zahl der Toten und Verschwundenen ist bis heute
nicht bekannt. Die meisten Täter gehörten zu den
'Forces Libanaises', einer mit Israel verbündeten christlichen
Miliz. Die israelische Armee unter dem Oberkommando des damaligen
Verteidigungsministers und heutigen Ministerpräsidenten
Ariel Scharon hatte die Lager abgeriegelt. Nur die Milizionäre,
deren Hass auf die Palästinenser bekannt war, durften
in die Lager. Um ihr Vorrücken zu erleichtern, schossen
israelische Soldaten in den Nächten des Massakers Leuchtraketen
über Sabra und Shatila ab. Das Massaker in den libanesischen
Palästinenserlagern schockierte 1982 die Weltöffentlichkeit,
heute ist es fast vergessen. Dabei stehen Sabra und Shatila
exemplarisch für all die Massaker, die folgten: in Ruanda
zum Beispiel oder in den Jugoslawien-Kriegen. Bei jedem neuen
Massaker tauchen die alten Fragen auf: Was treibt Menschen
zu solchen Gewaltexzessen? Wie können sie danach weiterleben?
MASSAKER
ist eine Studie über sechs Täter, die an der Blutorgie
im September 1982 teilgenommen haben. 'Man tötet den
Ersten widerstrebend', sagt einer von ihnen, 'beim Zweiten
und Dritten fällt es einem schon leichter. Beim Vierten
beginnt es Spaß zu machen.' Karge Fragmente wie 'damals
schossen wir wie in Cowboyfilmen' und 'wir begriffen nicht,
dass wir wirklich töteten' markieren Lebenswege von marodierenden
Gangmitgliedern in die Ausbildungscamps der 'Forces Libanaises'
oder in die der israelischen Armee. Aussagen wie 'Damals sagten
wir: 'Kaufst du einen Palästinenser, dann kauf auch einen
Stock'', dokumentieren im Bürgerkrieg verfestigte Feindbilder.
MASSAKER
verknüpft die mentalen Dispositionen der Täter mit
ihrem politischen Umfeld und beleuchtet so das Phänomen
der kollektiven Gewalt. 'Unbewusst tötet man um die Wette.
Unbewusst wollte jeder der Stärkste, der Schrecklichste
und der größte Rächer sein.' MASSAKER kann
und will das Massaker von Sabra und Shatila nicht in allen
seinen Aspekten rekonstruieren. Vielmehr entsteht durch die
Montage der Erzählungen der Protagonisten eine bislang
unveröffentlichte Version: Das Massaker aus der Sicht
der Täter. Im Libanon ist das Massaker von Sabra und
Shatila wie all die anderen im sechszehnjährigen 'Bürgerkrieg'
begangenen Massaker bis heute ein Tabuthema. Niemand wurde
vor Gericht gestellt, und 1991 verabschiedete das libanesische
Parlament eine Amnestie für alle während des 'Bürgerkriegs'
begangenen Verbrechen. '20 Jahre lang habe ich niemandem etwas
erzählt,' sagt einer der Täter und spricht dabei
auch für die anderen, 'es ergab sich so, dass ich rede,
aber das ist das letzte Mal.'
MASSAKER
insistiert auf Wahrhaftigkeit, nicht auf Anklage, Belehrung,
Kommentar. Die Entscheidung, ausschließlich die Täter
zu Wort kommen zu lassen, mag angreifbar sein, ihre Erzählungen
sind es nicht.